Beziehung und Online-Dating als blinde Person

Nadine und Lukas liegen auf einem Gitter und schauen sich an. Nadine hat lange Haare hat ihren Kopf zu Lukas gedrehtnund lächelt. Sie trägt ein rot-schwarzes Oberteil. Lukas trägt ein schwarzes Top und ein schwarz-weiß karriertes Hemd.

Wie oft habe ich schon die Frage gelesen: Wie finde ich als behinderte Person eine Beziehung? Immer wieder finde ich es schockierend zu sehen, welche Auswirkungen Ableismus hat. Dabei geht es nicht nur um die Annahmen von nicht-behinderten Menschen, die uns als Last oder weniger Wert empfinden, sondern auch um die Annahmen, die wir selbst verinnerlicht haben und glauben. Du bist behindert und Du bist wertvoll! Du kannst Beziehungsperson, Unterstützer*in und ablehnende Schulter sein. Oder du kannst die Person zum Pferde stehlen und die Person, mit der man bis in die Nacht über Gott und die Welt spricht. Daher erzähle ich euch heute ein bisschen über Ableismus und das Online-Dating als blinde Person.

Inhaltsverzeichnis

Wie finde ich als behinderte Person eine Beziehung: Online-Dating als blinde Person

Dieser Blogbeitrag wird kein Ratgeber, sondern soll sich einerseits mit Ableismus in unserer Gesellschaft und andererseits mit meinen persönlichen Erfahrungen beschäftigen. Denn auch ich nutzte eine App, mit der ich am Smartphone versuchte, die „große Liebe“ zu finden.

Nun kann an dieser Stelle erst einmal jede Person davon halten, was sie mag. Es gibt keinen „richtigen“ oder „falschen“ Weg, um seine Beziehungsperson zu finden. Die Welt verändert sich und die Technik ist stetig im Wandel. Wo es früher noch nicht die Möglichkeit gab, via Tinder und Co. eine Beziehung zu finden, zählen diese Möglichkeiten heute zur Realität.

In face-to-face Begegnungen gab es eine Sache, die mich immer wieder gestört hat: es ging immer um meine Behinderung. Was hast du?  Wie lange hast du das? Wie hast du gelernt damit umzugehen? Ich hatte nach der ersten Frage schon keinen Bock mehr, die Person kennenzulernen. Denn wenn mir am Anfang eines Kennenlernens übergriffige Fragen und Ableismus entgegenschlagen, dann ist dies kein guter Einstieg und keine Basis, auf der ich weitermachen möchte.

Also habe ich mich dazu entschlossen, die App „Tinder“ herunterzuladen. Ich habe ein paar Bilder zusammen mit dem Umfeld ausgesucht und in einem extra Ordner auf dem Handy gespeichert. Letztendlich wollte ich damit sichergehen, dass ich die Bilder hochlade, die wir zusammen ausgesucht haben. Ich habe in Ruhe ein Profil angelegt und die wichtigsten Angaben über mich gemacht. Dennoch fühlte ich mich innerlich „gezwungen“ meine Behinderung zu thematisieren. Dennoch rebellierte meine innere Ableistin. Ich konnte es kaum über mich bringen, zu erwähnen, dass ich behindert bin oder eine Behinderung habe.  Ich hatte Angst davor, was dieses Wort bei meinem Gegenüber auslösen würde. Alternativ schrieb ich: „Handicap: 👩🏼‍🦯“.

Letztendlich hätte ich auch nichts schreiben können, denn was ich zu dieser Zeit noch nicht wusste, dass dieser Emoji nicht von jedem Smartphone angezeigt werden konnte. Dies führte dazu, dass einige eine Box mit einem Fragezeichen angezeigt bekommen haben. Das machte das Thema natürlich noch spannender und weckte die Neugier einiger Personen umso mehr. Wiederum wussten andere Personen auch nichts mit dem Emoji anzufangen.

Wie nutzt man blind eine App die Personen auf das Äußere reduziert?

Es ist nun mal kein Geheimnis, dass Apps wie Tinder so funktionieren, dass der erste Eindruck entscheidend ist. Anhand von Äußerlichkeiten kann nach links für „Nein Danke“, nach rechts für „Finde ich gut“ oder nach oben für „Finde ich richtig gut“ gewischt werden. Natürlich hat auch jede Person weitere Informationen, die sie über sich angeben kann, aber dass dies nicht häufig ausgefüllt worden ist, zeigt vielleicht auch, dass das Wischen an sich beim ersten Eindruck ausschlaggebend ist.

Ich klickte mich dann selbst durch verschiedene Profile. Konzentrierte mich auf das Alter, lustige Sprüche und Musik im Profil. Mit Beschreibungen von meinem Umfeld oder mit dem Versuch mir selbst ein Bild von der Person zu machen, fing ich mit meiner Suche an. Aber auch beim Online-Dating als blinde Person erlebt man so einigen Ableismus, durch den ich den Kontakt schnell abbrach. Ich sortierte schnell aus bei:

  • statt einem „Hallo“ einen Fragenkatalog über meine Behinderung
  • war dies der einzige Grund, warum man geschrieben hat (nur neugierig).

Aber auch ich wurde aussortiert, wenn das Gegenüber dachte, blind sei eine Ausrede, um zu sagen „Nein, danke“ bzw. „Kein Interesse“. In dieser Zeit wurde mir also meine Behinderung abgesprochen, ableistische Fragen gestellt und entwertet.

An dieser Stelle kann man sich natürlich denken: all das gab es bei meinem Partner nicht. Keine Reduktion, Abwertung oder Fokussierung auf die Behinderung. Keine Vorurteile oder Behandlung wie ein rohes Ei. Das Thema Behinderung sprachen wir irgendwann an, aber nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich blind sei, hat sich das Thema erledigt. Wir haben einfach geschrieben. Statt über meine Lebensrealität oder LHON ausgefragt zu werden, wurde ich nach Filmen, Urlaub und Musik gefragt. Und heute ist er mein größter Verbündeter. Mein größter Ally.

Ist dein Partner auch behindert? – Was geht dich das an?

„Aber dein Partner kann sehen?“ oder „Ist dein Partner auch behindert?“ sind Fragen, die viele behinderte und chronisch kranke Menschen gut kennen. Doch warum bekommen gerade behinderte Menschen diese Frage gestellt?
Wenn ich sie gestellt bekomme, ist dies natürlich, weil ich behindert bin. Eine nicht-behinderte Person würde uns nie einfallen zu fragen, ob die Beziehungsperson behindert oder chronisch krank ist. Solch intime Fragen gehören zum Alltag behinderter und chronisch kranker Menschen. Hat die Frage Relevanz oder Nutzen? Nein, denn diese Frage dient einzig und allein der Stillung der Neugier.

Doch was bedeutet dies? Bin ich es nicht wert, mit einer nicht-behinderten Person zusammen zu sein? Erwartet man, dass ich mich nur in meiner „Bubble“ bewege? Oder ist doch überrascht, dass ich überhaupt eine Beziehung führe. Viele Sätze implizieren sogar, dass ich froh sein könnte, überhaupt in einer Beziehung zu sein. Mein Partner wird als besonders „sozial“ betitelt, da er mit einer behinderten Person zusammen ist.
Ich könnte also froh sein, einen so tollen Partner an meiner Seite zu haben. Versteht mich nicht falsch, das bin ich! Aber wieso bin ich immer die, die froh sein soll? Wieso mein Partner nie? Weil ich mit einer Behinderung froh sein kann, jemanden abbekommen zu haben? Wieso werde ich nur als die Person gesehen, die unterstützt werden muss? Als Belastung für eine nicht-behinderte Person. Ich werde selten in der Position gesehen, die meinem Partner hilft.

Ämter erwarten teilweise, dass ich entweder bei meinen Eltern oder in einer Beziehung lebe. Das jemand da ist, der mich pflegt, meine Anträge ausfüllt und mich betreut. Es ist problematisch, dass wir Beziehungspersonen automatisch die Aufgaben von Pflege- oder Betreuungskräften zusprechen. Dass wir behinderten Menschen keine nicht-behinderte Beziehungsperson zutrauen, sondern diese im medizinischen Kontext sehen. Behindert zu sein bedeutet nicht automatisch pflege- oder betreuungsbedürftig zu sein oder nicht in der Lage eigenen Entscheidungen zu treffen.
Welches Recht hätte ich über intime Informationen wie die Behinderung oder chronische Erkrankung einer anderen Person zu sprechen?

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