Ableismus in Büchern: Sprache, Klischees und fehlende Repräsentation

Das Bild zeigt ein aufgeschlagenes Buch, das in einem dunklen Raum liegt. Ein Lichtstrahl fällt von oben auf das Buch und beleuchtet die Seiten, während der Rest des Raumes dunkel bleibt. Der Fokus liegt auf dem Buch, das durch das Licht hervorgehoben wird, und die Seiten sind mit Text bedruckt.

Ableistische Sprache begegnet uns auch in Büchern. Vor kurzem brach ich ein Buch das im jahr 2024 erschienen ist aufgrund des Satzes: „Das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock” ab. In meiner Freizeit kann ich mich gegen diesen Ableismus entscheiden. Und der Spruch hat mir den Spaß an dem Buch genommen. Er ist ableistisch und abwertend. Es ist wichtig, dass wir das benennen und dass wir unsere Grenzen kennen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Ableistische Sprache

Wir wachsen mit einer Sprache auf, die wir selbstverständlich nutzen. Eine Sprache, die wir nicht hinterfragen und die von unserer Sozialisierung als Gesellschaft geprägt ist. Wir nutzen diese Alltagssprache, Begriffe und Ausdrücke, die unterschwellig Menschen mit Behinderung abwerten. Für uns ist es dennoch so alltäglich, diese Begriffe zu nutzen, dass es uns kaum auffällt.

Dass das Wort „behindert“ kein Schimpfwort ist, sollte klar sein.
Aber auch:
• „verrückt“
• „krank“
• „doof/dumm“
• „Bist du taub/blind?!“
• „Idiot“ oder
• „das sieht doch ein Blinder mit einem Krückstock“.

Vielleicht hast du auch bereits einen dieser Begriffe verwendet? Ich ebenfalls. Denn auch ich bin mit dieser Sprache aufgewachsen. „Sagt man halt so“. Aber Sprache schafft Realitäten und prägt unser Denken. Ableistische Sprache setzt die Behinderung in einen negativen Fokus und den Menschen herab.

Meist wollen wir in diesen Momenten etwas ausdrücken, dass wir so nicht meinen. Beispiel, dass eine Person rücksichtslos, unreflektiert oder unachtsam ist. Wir wollen nicht wirklich sagen, dass eine Person blind oder taub ist. Die Person ist es nämlich nicht. Aber wir setzen die Behinderung in einen negativen Kontext.

„Ein blinder mit einem Krückstock.“
1. Blinde Menschen nutzen (nicht ausschließlich) einen Langstock
2. Ich verstehe das Erwähnen des Krückstocks nicht
3. Nur weil etwas offensichtlich ist, sehe ich es nicht plötzlich, aber ich kann es wahrnehmen. Wahrnehmung reduziert sich nicht auf visuelle Wahrnehmung
4. Nach dem Motto: der Mensch kann zwar nichts, aber das ist so offensichtlich, das kriegt er sogar mit.
5. blinder Mensch klingt besser als „Blinder“

Wichtig ist, dass wir unsere Sprache reflektieren, uns dem bewusst werden und daran arbeiten. Man kann nicht erwarten, dass eine erlernte Sprache von heute auf morgen verlernt wird. Aber dass wir achtsamer mit dem Instrument Sprache umgehen. Sprache formt Bilder. Wie auch „XY leidet an einer Diagnose“ oder „XY ist an den Rollstuhl gefesselt“. Wir transportieren damit Annahmen und Vorurteile, die sich verfestigen.

Es ist schon ein Schritt, wenn wir uns mit Sprache auseinandersetzen und mit dem, was wir eigentlich sagen wollen.

Ableistische Sprache: Blind ist kein böses Wort

„Blind“ wird wie das Wort „behindert“ oft vermieden. Dabei handelt es sich um eine neutrale Eigenschaft, die in Teil A.6.a der Anlage zu § 2 VersMedVO definiert ist. Ich selbst benenne es, weil ich eben nicht sehbehindert oder hochgradig sehbehindert bin. Menschen, die mir begegnen fangen an zu stocken, werden nervös und ich merke, wie sie nach Worten ringen. Dabei suchen sie nach Wörtern, die ihrer Meinung nach nicht negativ behaftet sind.

  1. „Ich nenne es mal Nicht-Sichtigkeit“
  2. oder „Sie sehen ein bisschen weniger“

Fakt ist: Ich bin blind. Und auch, wenn wir gesellschaftlich uns darunter oft vorstellen, dass nichts gesehen werden kann, so bin ich mit meinem Restsehen als gesetzlich blind eingestuft. Für mich ist es wichtig, dies so zu benennen. Wenn es um Hilfsmittel oder anderweitige Leistungen geht, ist es ein wichtiger Unterschied, ob ich blind bin oder „etwas schlechter sehe“.Gleichzeitig liegt der Fokus bei diesen Beispielen auf einem Defizit. Was die Person nicht kann, während blind eine neutrale Bezeichnung ist.Ich fühle mich in solchen Situationen nicht mit meinen Bedürfnissen und Bedarfen ernst genommen. Denn meine Bedarfe an Barrierefreiheit als blinde Person unterscheiden sich von einem „etwas schlechter sehen“. Denn „etwas schlechter sehen“ spricht mir meine tatsächliche Behinderung und Barrieren ab.Wenn wir blind nicht sagen können, dann müssen wir dringend unseren eigenen Ableismus checken und uns fragen, was uns an diesem Wort so viel Angst macht?In unserer Gesellschaft wird das Wort blind immer wieder in verschiedenen ableistischen Sprachbildern abwertend reproduziert:

  • „Das sieht sogar ein Blinder mit Krückstock“.

Sprichwörter, die Abwertung, Unfähigkeit und klaren Ableismus enthalten. Dabei wollen wir in der Situation eigentlich sagen, dass es beispielsweise etwas total offensichtlich ist.

Weitere

  •  Blindes Vertrauen = bedingungsloses Vertrauen
  • Liebe macht blind = Fehler von der Beziehungsperson werden (noch) nicht wahrgenommen
  • Blind vor Wut = vor Wut nichts mehr wahrnehmen können
  • Blindlings = unüberlegt, unvorsichtig

Wir verbinden Blindheit mit negativen Eigenschaften und Vorurteilen.

Ableistische Sprache: Behinderung und Leid

Leiden ist ein mächtiges Wort, dessen Bedeutung und Kraft wir oft unterschätzen. Es ist eine Empfindung, die oft behinderten Menschen zugeschrieben wird. Es wird davon ausgegangen, dass sie unter ihrer Behinderung leiden, unglücklicher sind und das Leben für weniger lebenswert hält.

In Berichten oder Medien liest man auch oft: „XY leidet an der Diagnose.“ Statt „XY hat die Diagnose“. Sprache beeinflusst unser Denken mehr als man denkt. 2 Sätze und zwei unterschiedliche Bedeutungen mit Wirkung. Dabei möchte ich keinesfalls sagen, dass es nur an diesem Satz liegt, dass behinderten Menschen „Leid“ zugesprochen wird. Wir wachsen mit der Sprache auf, nutzen Floskeln, die wir hören und hinterfragen nicht immer die Macht der Sprache.

Denn, dass wir von Leiden ausgehen, führt dazu, dass ich von fremden Menschen wegen meiner Behinderung bemitleidet werde. Erfahren sie, dass ich mehr als eine Diagnose habe, folgt auf „Das tut mir leid“ noch ein „Oh, das auch noch!“

Mein Leben ist jedoch nicht schlechter, weniger Wert oder leidvoller als das Leben von nicht-behinderten Menschen. Dabei möchte ich nicht sagen, dass behinderte Menschen nicht leiden. Tatsächlich leide ich unter Diskriminierung und auch den ein oder anderen Tag unter Schmerzen. Aber diese Bewertung steht nur mir zu. Denn Leid ist ein (seelischer) Schmerz, den keine Außenstehende Person bewerten oder fühlen kanm-

Dass wir aber direkt von Leiden ausgehen, schafft ein Bild über Behinderung und eine Bewertung, die uns nicht zusteht. Auch, wenn jede Person das Recht hat zu sagen, dass sie unter einer Diagnose leidet. Wie oft geht man bei Menschen mit Behinderung und Depressionen davon aus, dass die Behinderung der Auslöser für „Leid“ sei? Oder wird in Filmen das „tragische Schicksal“ gezeigt, dessen Erlösung nur der Freitod ist. In der NS-Zeit ging man sogar davon aus, dass es besser wäre, Menschen zu ermorden, die eine Behinderung hatten. Ein sogenannter „guter Tod“ (Euthanasie). Man rechtfertigte die Morde mit der Erlösung der Menschen. Kein Denken, das es noch nicht vorher gab und kein Denken, das es heute nicht mehr gibt.

Ableistische Sprache & Ableismus in Büchern: Praxis

Hier leite ich euch zu Rezensionen weiter, in denen ich Ableismus angesprochen habe. Ich habe mich, um die Liste überschaubar zu halten nicht für Bücher entschieden, die das Wort „blind“ nutzen, ohne es zu meinen, sondern in denen noch mehr vorkommt. Mehr dazu könnt ihr in den Rezensionen nachlesen:

DIe Rezension ist noch nicht verlinkt? Dann wird sie noch kommen!

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