Das Narrativ Leid zu Weihnachten: Zwischen Blicken, die ich nicht sehe und Blicken, die ich nicht spüren will

Das Narrativ Leid zu Weihnachten – Dezember. Ich ziehe meinen Mantel zu und lasse meinen Langstock vor mir über den Boden gleiten. Montag, Mittwoch oder Sonntag – es könnte jeder beliebige Tag in der Woche sein. So sieht mein Alltag aus.

Inhaltsverzeichnis

Mit meinem treuen Begleiter in meiner Hand ertaste ich mir die Wege durch die Stadt. Gerade in der Weihnachtszeit fühle ich jedoch ein mulmiges Gefühl im Bauch. Mehr Menschen. Mehr Bewertung. Blicke voller Mitleid, Bewunderung oder auch Irritation schlagen mir entgegen. Dabei tu ich nichts anderes als alle anderen um mich herum: leben.

Ich fühle mich in das erste Jahr meiner Behinderung versetzt. In der Zeit als ich mit 16 lachend mit einem Kakao und meiner Mutter auf dem Weihnachtsmarkt stand. Mir wurde Ableismus zum ersten Mal deutlich . Wenn auch nicht als Begriff. Das erste blinde Weihnachten und der erste Weihnachtsmarktbesuch mit Langstock. Meine Mutter sah die irritierten Blicke der Menschen, als ich herumalberte und lachend unter den Lichterketten stand. Jung, behindert und fröhlich. Das passte nicht in das Konzept von verinnerlichten Denkmustern und Vorurteilen.

Das Narrativ Leid zu Weihnachten: Blicke voller Ableismus

Doch diese Bewertung steht letztendlich nur mir zu. Niemand hat mein Leben, meine Situation oder meine Behinderung zu bewerten. Niemand sollte sich dies anmaßen. Das Ganze macht mich immer wieder wütend und traurig. Zu wissen, dass mich andere Menschen für meine Behinderung bemitleiden, etwas, das sie selbst nicht haben wollen und damit meine Lebensrealität so abwerten, tut immer wieder weh. Dass meine Behinderung als etwas zu Verhindernden gilt, eine Lebensrealität, die man unter keine Umständen haben will und doch meint nachvollziehen zu können, setzt jedes Mal zu.

Momente, in denen ich Ihnen gerne entgegenschreien möchte: Ich bin glücklich und meine Behinderung und ich sind BestFriends. Dass sie einfach aufhören sollen, mich so anzusehen und genauso belanglos an mir vorbeigehen sollen wie an jedem anderen Menschen auch. Und vor allem, dass ich kein Mitleid will oder brauche. Dass meine Lebensrealität genauso viel wert ist wie ihre. Doch weder ich noch sie tun es. Dong. Plötzlich wird der gewohnte Weg durch ein Hindernis versperrt. Der Weihnachtsmarkt. Bis Heute werfen mir Menschen immer noch bewundernde Blicke zu, bemitleiden mich besonders zur Weihnachtszeit, eine Zeit, in der einige Menschen zur Sentimentalität neigen. Ich überhöre immer wieder

Das Narrativ Leid zu Weihnachten und die Hürdenzeit

Dong! Und wieder geht es nicht weiter. Wieder wird mein gewohnter Weg durch einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt versperrt. Eigentlich sind Besuche bei meiner Ärztin deutlich unkomplizierter. Weihnachtbuden auf den Leitlinien, Kabelkanäle auf meinem gewohnten Weg oder Dekoration bis hin zu Tannenbäumen. Was für andere die Sinnlichkeit der Weihnachtszeit repräsentiert, bedeutet für mich und auch für andere Menschen: neue Barrieren. Barrieren auf Zeit. Ganz und gar nach dem Motto: „Willkommen in der Hürdenzeit!“ Dazu gibt es in Supermärkten eine Reizüberflutung von überfüllten Läden, Stimmengewirr und Menschen, die teilweise gestresst durch die Gänge irren. Orientierungslosigkeit in Supermärkten gehört dann aufgrund von Sonderaktionen, Adventskalendern und Weihnachtsschokolade-Aufstellern zum Alltag.

Weihnachten – Eine Zeit, in der es sich für mich bewährt, Geschenke und Einkäufe online zu erledigen und den ein oder anderen heißen Kakao bei mir auf der Couch zu genießen, während meine Hündin mich hoffnungsvoll anschaut.

Aber auch den ein oder anderen Weihnachtsmarktbesuch lasse ich mir nicht nehmen. Ein paar Lichter genießen, „Last Christmas“ auf Dauerschleife und Poffertjes mit dem eigentlich wichtigsten zu dieser Zeit für mich: Menschen, die mir etwas bedeuten. Denn meine Behinderung und ich lieben das Leben.

Gib meiner Arbeit Flügel

Was genau kann eure Hilfe eigentlich bewirken?

Ich bin eine Inklusions-Aktivistin und um weiterhin auf diesem Blog aktiv zu bleiben, recherchieren und schreiben zu können, sowie um meine Aufklärungsarbeit fortzuführen, benötige ich eure Unterstützung. Meine Arbeit erfordert regelmäßige Aufklärungsarbeit, die oft mit Reisen, Interviews und der Bestellung von Büchern für Weiterbildungen verbunden ist. Stöbert durch meine aufklärenden und bewusstseinsfördernden Arbeiten auf verschiedenen Social-Media-Plattformen.

Kohle knapp, aber du möchtest dennoch Rückenwind geben? Dann schnapp dir diesen Artikel und lass die Welt wissen, dass du ein Fan meiner grandiosen Arbeit bist!

Bleibe auf dem Laufenden

Werde monatlich über neue Beiträge informiert!

Neuste Beiträge

Eine Antwort zu „Das Narrativ Leid zu Weihnachten: Zwischen Blicken, die ich nicht sehe und Blicken, die ich nicht spüren will“

  1. Avatar von Isabelle Siegmund
    Isabelle Siegmund

    Warum immer diese Blicke bei offensichtlichen Behinderungen kommen 🙃 wüsste nicht, wie ich als Herzkranke darauf reagiere, wenn man so auf mich blickt. Ich finde es eher bereichernd von den unterschiedlichen Wahrnehmungen zu lernen. Also weiterhin fröhliches Weihnachtsmarktbummeln🎄

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert