André Schang: „Eine Zeit die wir vergessen haben“

Eine Kamera liegt auf einer alten Karte. Daneben eine Taschenuhr und analoge Bilder.

Wenn man André Schang in seiner Wohnung in Münster besucht, dann betritt man eine Welt aus „einer längst vergangenen Zeit“. Schnell wird deutlich, dass nicht nur sein Bildstil aus dieser Zeit entspringt, sondern auch sein Lebensstil.

Inhaltsverzeichnis

Während einige den neuesten Trends der Mode hinterherjagen trägt der 46-Jährige ein weißes Hemd aus den 20ern mit einem weißen Kragen und einer Brille aus dem 19. Jahrhundert. „War nicht einfach einen Optiker zu finden der sich das traut“, erklärt er und zeigt, die Wichtigkeit jedes Details. Direkt im Hausflur fallen 3 Kunstzeitschriften aus den 20ern auf wie auch ein Telefon und ein an der Wand hängender Tennisschläger aus dem Jahr 1912. Stolz präsentiert er aber auch seine weitere Einrichtung und lädt zu einer Führung durch seine Wohnung und die verschiedenen Zeiten ein. Er selbst sitzt bei unserem Gespräch an einem Tisch aus den 20ern. Dahinter steht eine holländische Vitrine aus der Zeit des Barocks mit 3 silbernen Teekannen aus Sterlingsilber aus dem 17. Jahrhundert. Normalerweise hat er noch eine Pfeife aus dem Jahr 1920 und Geschirr aus derselben Zeit, zählt er weiter auf. Seine Küche sei zurzeit eine Baustelle, da sie ebenfalls aus den 20-er Jahren umgebaut wird.

Der Blick gleitet weiter auf verschiedene Gemälde: ein Gemälde aus dem 18. Jahrhundert, ein weiteres Portrait aus dem 17. Jahrhundert und Zeichnungen von 1745. Für die Leidenschaft zu seinem Stil darf auch gerne ein Teppich von 1915, mit einer zeitintensiven Arbeit von mehreren 100 Stunden, wieder aufgearbeitet werden, bis der einst braune Teppich wieder fast wie neu aussieht.

Eine der wohl modernsten Technologien ist sein Smartphone, was für ihn weniger Handy als Hilfsmittel für die Kommunikation bedeutet. Das IPhone hat die Möglichkeit, Speech-to-Text Apps herunterzuladen oder extra Apps, die den Untertitel anzeigen können, wenn man sie an den Fernseher hält. „Das macht es nur bei Apple – kostet natürlich.“, erklärt André Schang. „Wenn ich telefoniere, dann gibt es eine App, dann wird das Telefongespräch in Text umgewandelt – Geht nur mit Apple.“ Auch das CI (Cochlear- Implantat) funktioniert nur mit der Marke Apple. Dies lässt sich mit dem Smartphone verbinden und darüber Musik anschließen. Dabei vibriert die Elektronik im Kopf, um die Schwingungen aufzunehmen. Ansonsten bleibt André Schang seiner Zeit treu und nutzt ein Grammophon. Dies ist empfindlicher und gibt somit deutlich mehr Schwingungen wieder.

André Schang: Shootings mit analoger Kamera

André Schang findet den alten Bildstil mit einer analogen Kamera fasziniert. Man hat keine Megapixel, aber man muss mehr Geld investieren. In der Anfangszeit seiner Fotografie verfolgte André Schang gespannt die Arbeiten von Peter Lindbergh. Ein bekannter Promifotograf (bereits verstorben): „Der geilste Fotograf der Welt“ laut André Schang.

André Schang überlegte sich, in welche Richtung es mal gehen sollte. Viel hat er ausprobiert. „Jemanden hinstellen der blöd die Backe hält, als wäre das Kinn schwer“ war nichts mit dem er sich identifizieren konnte. Dann habe ich mir überlegt, dass ich eigentlich doch alte Bilder liebe und es einfach ausprobiert. „Und das war meins“, erzählt er begeistert. Modelle und Fotografenkollegen sind von seinem Stil begeistert.

Alle Shootings sind TFP-Shootings. Sogenannte Time for Print Shootings. Dies bedeutet, dass Fotograf*innen und Modelle beide ihre Arbeit und Kreativität in ein Projekt stecken und das Model nach Abschluss des Shootings eine vereinbarte Anzahl an Bildern erhält. Die Bilder erhalten sie jedoch wie „alte Bilder auf Papier“. Beide Seiten dürfen die Bilder dem Portfolio hinzufügen. Für André Schang bedeutet dies, seine Bilder auf seinen Instagram-Kanälen zu präsentieren.

André Schang: Ablauf eines Shootings

Wenn André Schang ein Shooting plant, dann versetzt er sich in das Zeitalter, in das er fotografisch gehen möchte. Hierzu eignet sich ein Trödelgeschäft in Münster, in dem er seine Fantasie anregen kann. Zeitschriften, Magazine und Prospekte unterstützen ihn bei seiner Ideenfindung.

Für ein Shooting im Stil der 50-er Jahre, schaut er die entsprechenden Filme und versetzt sich in die Zeit zurück. Denn auch an älteren Filmen mangelt es nicht. Darunter auch viele schwarz-weiß Filme und Stummfilme. „Da brauche ich keinen Untertitel“, erklärt André Schang, der aufgrund seiner Gehörlosigkeit auf Untertitel angewiesen ist.

Bevor André Schang sich mit seinem Model zum Shooten trifft, treffen sich beide in einem Café zum Kennenlernen. Hierfür sucht er oft auch ein Café in dem Stil des 19. Jahrhundert aus. Für das passende Shooting organisiert er auch gerne mal ein Schloss aus den 20ern.

Seine Accounts, ob Landschaft oder Portraits, wirken wie eine Reise in die Vergangenheit. Diese Bilder in ihren grauen und gelblichen Tönungen, mit Unschärfe und einem ganz anderen Kleidungsstil an thematisch passenden Locations, wirken wie ein altes Fotoalbum. „Ich sehe aus wie meine Oma als Kind“, erzählt ein Model lobend über Andrés Ergebnisse.

Sollte André Schang seine Bilder dennoch bearbeiten, dann bearbeitet er diese so wenig wie möglich. Er setzt dabei nur Lightroom, ein Bearbeitungsprogramm, ein. Ihm ist es wichtig, dass ein Bild am Ende immer noch aussieht wie ein Bild. Er will sein Bild nicht zweckentfremden. Er möchte, dass sich die Personen in dem Bild wiedererkennen und dass das Bild eine Geschichte erzählt. Beispielhaft zeigt er ein Bild, das er von einer Frau sitzend am Strand gemacht hat. Sie trägt ein Kleid und hält einen Sonnenschirm aus dem Jahre 1920.  Das Bild in seinem Stil mit den Grautönen und der Kleidung aus einer anderen Zeit wirkt wie eine Reise in die Vergangenheit, die durch eine nachdenkliche Stimmung unterstrichen wird. Dies gilt ebenfalls für seine Landschaften. Ob Felder, Blumen oder alte Gebäude. Mit seinem Stil wirken sie wie ein Gemälde aus einer anderen Zeit.

André Schang: Träume in der Fotografie

Auf die Frage hin, was die Schwierigkeiten bei seinem Stil seien, antwortet André Schang: „Das Wetter. Wenn ich analog fotografiere, muss das Wetter mitspielen. Wenn die Kamera feucht und nass wird, kann es sein, dass es das war“

„Für mich ist die Fotografie gleichzeitig ein Ausgleich zum Alltag. Ich arbeite mit Menschen, die sehr viel Unterstützung brauchen. Um das Ganze überhaupt wahrzunehmen und ihnen die Unterstützung geben zu können, brauche ich einen Ausgleich. Dafür bin ich einfach mal in der Natur.“ Er selbst arbeitet in einer Einrichtung für hörbehinderte Menschen mit seelischer Erkrankung. Seine Bewerbung schrieb er mit einer Schreibmaschine von 1912, die für Aufsehen sorgte.

Dabei träumt André Schang davon, ein einziges Mal ein Landschaftsbild mit Glasplatte aufzunehmen. Glasplatte ist eine Originalkamera von der Anfangszeit der Fotografie. Damit möchte er ein Landschaftsbild aufnehmen. Die Belichtungszeit beträgt 8 Stunden. „Dies stammt noch aus einer Zeit, in der alle auf dem Sofa gesessen haben und sich nicht bewegen durften und 8 Stunden grinsen mussten“, ahmt André Schang mit einem breiten Grinsen nach.

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