Pride Month: Queerness und fehlende Sichtbarkeit von Behinderung

Fäuste sidn nach vorn gestreckt. Auf den Knöcheln steht in bunter Farbe LGBTQAI+

Juni ist Pride Month. Das heißt vom 1. Juni bis zum 30. Juni feiern Menschen der LGBTQIA+ Communities nicht nur ihre Vielfalt und Freiheit, sondern machen auf die immer noch bestehende Diskriminierung aufmerksam und protestieren gegen diese. Doch was im Pride Month noch zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, ist die Repräsentation von queeren oder sich als nicht-cisgeschlechtlich identifizierenden behinderten und chronisch kranken Menschen

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Pride Month?

Der Pride Month bietet viele verschiedene Paraden, um mehr Sichtbarkeit für die queeren Themen und Diskriminierungen zu schaffen. Eine Zeit mit Stolz auf Vielfalt, Widerstand gegen Scham und Stigmata. Wir können uns selbst feiern, für die politischen und persönlichen Schritte, die wir geschafft haben, für den Mut (öffentlich) zu uns zu stehen und auf unsere Geschichte. Wir müssen uns nicht dafür schämen, wer wir sind und wen wir lieben.

Wer feiert den Pride Month

Der Pride Month wird von der LGBTQAI+ Community wie auch Menschen, die sich nicht den cisgeschlechtlichen Identitäten zuordnen lassen.

LGBTQAI+ steht für Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Queers, Intersex und Asexual. Das + oder auch oft als Sternchen gekennzeichnet steht am Ende, um weitere Identitäten miteinzubeziehen.

Zu den weiteren Identitäten als nur cisgeschlechtlicher Identität zählt: die intergeschlechtlich, nicht-binär, asexuell, pansexuell, aromantisch oder auch two-spirit (zweigeistig) sind oder diejenigen, die sich auf andere Weise identifizieren oder ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität infrage stellen.

Was bedeutet Cis?

Cis bedeutet, das sich eine Person mit dem Geschlecht identifiziert, dass ihr bei der Geburt zugeschrieben wurde.

Der Pride Month und die Intersex Inclusive Pride Flag

Sie wurde von Valentino Vecchietti designed. Valentino Vecchietti war Intersex-Aktiviste. Mit dieser Fahne sollten intersexuelle Menschen stärker einbezogen werden. Dass sich Pride Flaggen weiterentwickeln und mehr Sichtbarkeit für weitere Communities schaffen, ist dabei ein junger Trend. Doch Sätze wie „Sie spiegelt „alle Aspekte unserer Gemeinschaft“ wider, also nicht nur Schwule, Lesben und Bisexuelle, sondern auch People of Color (PoC), Blacks, Trans*gender, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.“ lassen darauf schließen, dass es noch lange dauern kann, bis behinderte Menschen einen Platz auf einer Flagge finden werden. Denn diese Äußerung zeigt, dass „alle“ abgebildet sind und verdeutlicht, dass behinderte Menschen nicht wahrgenommen werden.  Da behinderte Menschen jedoch oft nicht als sexuell interessierte oder aktive Personen wahrgenommen werden, unterstreicht dies noch einmal das Narrativ, dem sich behinderte Menschen oft ausgesetzt sehen. Denn auch behinderte Menschen haben ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Es bleibt zu hoffen, dass der „junge Trend“ daran arbeitet, eine passende Flagge zu entwerfen, die behinderte Menschen repräsentiert und auch ihre sexuelle Selbstbestimmung stärker in den Vordergrund rückt.

Was bedeuten die Farben?

Hier eine kleine Übersicht, was die einzelnen Farben bedeuten und das farblich keine Repräsentation von behinderten und chronisch kranken Menschen stattfindet:

  • Pink: Sexualität
  • Rot: Leben
  • Orange = Heilen
  • Gelb = Sonne
  • Grün = Natur
  • Türkis = Kunst
  • Blau = Harmonie
  • Lila = Seele
  • Weiß = nichtbinäre Personen
  • Rosa und Hellblau = binäre Trans*personen
  • Braun = People of Color
  • Schwarz = Opfer von AIDS

Pride Month und der Christopher Street Day

Jedes Jahr finden in der Zeit um den Juni herum der CSD statt und das in verschiedenen Städten. Queere Menschen feiern in einer bunten Vielfalt, gehen auf die Straßen und protestieren und machen auf ihre Belange aufmerksam.

Der Sozialwissenschaftler Heiner Schulze spricht in einem Video auf der Homepage des Regenbogenportals über den CSD, seine Geschichte und die Veränderungen im Laufe der Zeit.

Woher kommt der Name?

Der Name kommt von der gleichnamigen Straße in New York. Dort haben sich 1969 bei den Stonewall-Aufständen queere Menschen gegen die Polizeiwillkür zur Wehr gesetzt. Nicht das erste Mal, aber wahrscheinlich das bekannteste Mal.

Die CSDs in Deutschland bringen noch einen weiteren geschichtlichen Hintergrund mit. Beispielsweise durch den Paragraph 175 des Strafgesetzbuches der männliche Homosexualität und Bisexualität 123 Jahre unter sträflicher Verfolgung gestellt hat. Erst seit dem 11. Juni 1994 ist dieser Paragraph aufgehoben worden. Somit ist dieser Paragraph gerade mal seit knapp 30 Jahren außer Kraft gesetzt.

Früher kamen Männer deswegen auch ins KZ und wurden nach dem zweiten Weltkrieg verfolgt.

Heiner S. spricht über die Veränderungen der Zeit. Während es anfangs noch um Sichtbarkeit ging, gehen nur die Forderungen immer mehr ins Detail. Menschen wollen nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch Antidiskriminierung. Diversität ist ein immer größer werdendes Thema. Dennoch gibt es immer noch Gruppen, die um Sichtbarkeit kämpfen.

Dazu gehören unter anderem bisexuelle Menschen und lesbische Sichtbarkeit.

Pride Month: Mehr Sichtbarkeit für Bisexualität

Im Lateinischen steht „BI“ für „zwei“. Ist man bisexuell fühlt man sich zu mehr als nur einem Geschlecht hingezogen. Gerade aber Menschen, die in einer heteronormativen Beziehung leben, bekommen immer wieder ihre Sexualität abgesprochen und sehen sich in Rechtfertigungen wieder. „Aber du hast doch eine*n Partner*in“.

Das Bisexualität nur eine Phase oder etwas für Menschen sei, die nicht entscheiden können, ist kein seltener Vorwurf.

Wo viele Menschen nun das Paradies auf Erden sehen, weil bisexuelle Menschen „viel mehr Möglichkeiten haben“ wird eines verkannt: Vorurteile Stigmatisierungen rund um das Thema Queerness trifft auch bisexuelle Menschen und kann diese davon abhalten Beziehung zum selben Geschlecht einzugehen. Die Angst vor Anfeindungen, Gewalt und die widrigen Kämpfe können groß sein.

Gewalt und Queerness

Schon früh werden uns die gewünschten Rollenbilder vermittelt. Schon durch Spiele wie „Mutter-Vater-Kind“ wird die bevorzugte Rollenverteilung und das gewünschte Familienmodell dargestellt und übernommen. Dass auch andere Konstellationen eine Option sind, wird nicht vermittelt. Das in der Schulzeit „schwul“ als Schimpfwort missbraucht wird, macht es nicht einfacher.

Immer wieder hören wir von queerfeindlichen Vorfällen

Die Liste könnte noch weiter geführt werden und zeigt eines: Dies sind keine Einzelfälle. Queere Menschen sind von Queerfeindlichkeit und Gewalt betroffen.

2022 wurden laut der Statista 1005 polizeilich erfasste Delikte gegen die sexuelle Orientierung von Personen erhoben, davon waren 227 von körperlicher Gewalt verzeichnet worden. Die Dunkelziffer kann dabei weitaus höher sein.

Solche oder noch viele andere Aussagen zeigen und bestärken, warum wir den Pride Month brauchen.

Annahmen über LGBTQIA+

Laut einer Befragung der Antidiskriminierungsstelle herrschen immer noch viele falsche Annahmen über lesbische, schwulen oder bisexuelle Menschen in Deutschland. Auch wenn es nicht die Mehrheit ist, so stimmt ein großer Teil der Menschen bei einer Befragung eher zu, dass folgende Annahmen korrekt sind.

  1. Eine Person ist homosexuell, weil sie von jemand anderem dazu verführt wurde.
  2. Eine Person ist homosexuell, weil ihre Eltern sie anders erzogen haben als die meisten Eltern.
  3. Eine Person ist homosexuell, weil sie schlechte Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht hat.
  4. In Deutschland werden immer mehr Menschen homosexuell

Somit wird es eher als ein Erziehungsfehler oder falsche Entscheidung gesehen als das, was es eigentlich ist: Liebe. Gesucht wird natürlich nach einem „Schuldigen“ wie Eltern oder vorherige Beziehungspersonen. Es ist laut Befragung ein kleiner Teil dennoch ein Teil, der andere Sexualitäten für unnatürlich, unmoralisch und krankhaft hält. Werden diese Annahmen in Begegnungen mit Menschen aus der LGBTQIA+ Community mitgenommen kann daraus nur Diskriminierung folgen.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Mehrheit der befragten Personen bei folgenden Aussagen mitgeht:

  1. Homo- und Bisexuelle werden heutzutage in Deutschland immer noch diskriminiert bzw. benachteiligt.
  2. Homo- und bisexuelle Jugendliche werden häufiger Opfer von Mobbing und Diskriminierung als heterosexuelle Jugendliche
  3. Gleichgeschlechtliche Paare, die in eingetragener Partnerschaft leben, sind heterosexuellen Ehepaaren in Deutschland gesetzlich völlig gleichgestellt.

Natürlich ist die logische Konsequenz, dass 76,7% der befragten Personen es wichtig finden, dass ein Schutz vor Diskriminierung gesetzlich besteht. Dennoch bedarf es mehr, denn mit diesem Gesetz sind Diskriminierungen nicht beseitigt.

Das Jedoch Menschen bei diesen Annahmen, Angst in der Gesellschaft haben sie selbst zu sein, wenn sie von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind, muss an dieser Stelle nicht mehr extra erwähnt werden? Wie viele Menschen haben keine zusätzlichen Kapazitäten für ein weiteres Päckchen Diskriminierung. Menschen, die mehrfachdiskriminierte Menschen leben auch oft mit der Angst mehr Diskriminierung zu erfahren, mehr Gewalt oder weniger Schutz. Oder hat man durch weniger Kapazitäten einfach gar keine Ressourcen sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? So können Themen wie Behinderung, „eine (familiäre) Flucht- oder andere Migrationsgeschichte haben – oder dass die religiöse Zugehörigkeit, das Alter, die regionale Herkunft, eine chronische Krankheit, die finanzielle Situation, eine Wohnungslosigkeit, ein allein erzogenes Kind oder andere Umstände für sie dringlicher“ sein.

Pride Parade: Flaggen und Menschen auf der Straße

Pride Month: Behinderung und Queerness

Die Gewalt gegenüber Frauen mit Behinderung ist 3x höher als die Gewalt gegenüber nicht-behinderten oder chronisch kranken Frauen. Die Angst, aufgrund von Queerfeindlichkeit und/oder Ableismus ein Opfer von Gewalt zu werden, ist daher für queere, behinderte / chronisch kranke Menschen deutlich höher.

Ich muss abwägen, ob ich mich beispielsweise auf einen CSD trauen kann, wenn ich weiß, dass ich körperlich unterlegen bin. Ich bin blind, und kann nicht reagieren, mich verteidigen oder einfach in einer Situation wegrennen. Ich sehe eine potentielle Gefahr nicht kommen oder kann sie einschätzen. Ich fühle mich wehrlos und wie eine Zielscheibe. Ich kann mich nicht sicher fühlen. Dies gilt aber nicht speziell für einen CSD auf dem ich mich als queer und behindert sichtbar zeigen würde, sondern um ein allgemeines fehlendes Sicherheitsgefühl in unserer Gesellschaft. Dennoch ist die Gefahr als Person, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen ist, deutlich höher.

Auch Luisa L´audace schrieb in einem aktuellen Post: „Sich umzugucken, bevor wir eine Person küssen, ihre Hand halten oder generell Zuneigung zeigen. – Das kennen wahrscheinlich viele queere Personen. Jedoch erleben behinderte, queere Personen nochmal eine andere Dimension“.

Pride Month: Mehr ntersektionalität

Es zeigt also, dass wir Diskriminierung gegen queere Personen nicht nur differenziert betrachten können, sondern ebenso andere Diskriminierungsformen wie Ableismus, Sexismus, Rassismus oder Transfeindlichkeit mit einbeziehen müssen.

Lesen wir Artikel über Queerness und die Politischen Forderungen, so wird über das Miteinbeziehen von verschiedene Diskriminierungsformen gesprochen, es wird von Menschen die im queeren Raum am wenigsten gehört werden gesprochen womit Queers of Colour oder trans* Personen gemeint werden.

Was mir an dieser Stelle fehlt: Behinderung wird selten thematisiert. Literatur zu der Thematik von queeren behinderten oder queeren chronisch kranken Menschen zu finden schien schier unmöglich. Dies zeigt, dass behinderte queere Menschen nicht nur nicht gehört werden, sondern gar nicht wahrgenommen werden. Dass unsere Existenz noch nicht in der queeren Community angekommen ist.

Verwunderlich ist das nicht. Denn solange wir Barrierefreiheit nicht auf Paraden oder queeren Veranstaltungen garantieren, kann die Teilhabe und Teilnahme von behinderten und chronisch kranken Menschen nicht gewährleistet werden. Behinderte Menschen werden systematisch in allen Bereichen ausgeschlossen, was die Sichtbarkeit reduziert.

Aber auch die Forderungen von „queerhandicap“ zeigen, dass die sexuelle Selbstbestimmung von behinderten Menschen noch deutlich zu wünschen übrig lässt. In einem Statement zum Selbstbestimmungsgesetz machen sie deutlich, dass gerade Menschen mit Betreuungsbedarf nicht dasselbe Maß an Selbstbestimmung erhalten.

Doch wenn ich Sätze wie diese lese: „Das Tolle an Pride-Veranstaltungen ist, dass sie alle einbeziehen und somit für jeden offen sind.“ wird deutlich, dass Barrierefreiheit kein Thema ist, dem sich bewusst gemacht wird. Denn solange Veranstaltungen nicht barrierefrei sind, sind sie nicht offen und zugänglich für alle.

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