Ich liebe es, meine Haut mit einem Hauch Schminke zu verschönern. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich mich um mich selbst kümmere und in meiner Haut wohlfühle. Es ist wichtig für mich, dass ich mich nicht verstecke und meinen eigenen Stil auslebe. Wenn ich in einem depressiven Loch stecke, bleibt von all dem nichts übrig. Kein Make-Up, kein Stil, keine Lust auf mein Äußeres.
Inhaltsverzeichnis
- Lookismus: Abwertung durch Schönheitsideale
- Lookismus und behinderte Körper
- Wie wir Äußerlichkeiten bewerten fördert Stereotype
- Meine Erfahrungen mit Lookismus
- Wir können Toleranz lernen
- Verleihe meiner Arbeit Flügel
- Was genau kann deine Hilfe bewirken?
- Bleibe auf dem Laufenden
- Neuste Beiträge
Doch das Schöne an meiner schwarzen Kleidung und dem Make-Up ist, dass es für mich Authentizität bedeutet und mutig ist. Mutig, weil wir in einer Gesellschaft leben, die uns auf unser Aussehen reduziert. Eine Welt, die Kompetenzen anhand von Lippenstiftfarben abliest und anhand von Tattoos die Bereitschaft zu Gewalt oder Kriminalität erahnt. Unser Aussehen ist oft das, was uns definiert.
Es erfordert Mut, weil ich weiß, dass ich mich mit Kommentaren wie „Bedauernswert“ oder „Du willst dich nur von blinden Menschen abheben“ auseinandersetzen muss. Kommentare, für die ich kein Verständnis habe. Denn bedauernswert fände ich es, wenn ich mich aufgrund von Stereotypen verstecken würde. Bedauernswert finde ich, dass wir die Individualität und Selbstbestimmung anderer verurteilen und uns das Recht herausnehmen, über andere Körper und Stile zu urteilen.
Lookismus: Abwertung durch Schönheitsideale
Aber wusstet ihr, dass es dafür auch einen Begriff gibt, wenn wir uns selten die Mühe machen eine Person wirklich kennen zu lernen. Statt sie anhand von Äußerlichkeiten einzuordnen. Wie neben viele anderen -ismen beschreibt Lookismus (engl. lookism) die Diskriminierung aufgrund von Äußerlichkeiten. Neben der Kleidung können ebenso Mimik, Gestik, Make-up oder Haarfarbe sein. Auch vermeintliche Schönheitsideale treffen behinderte Menschen. Denn in unserer Gesellschaft gelten behinderte Körper nicht als „schön“. Das spiegelt die Kommentare aus meinem Modellportfolio wieder: „Du siehst aus wie eine normale Frau ohne Behinderung“. Ein Kompliment dafür, dass meine Behinderung nicht sichtbar ist. Wie viel Lookismus und Ableismus darin reproduziert werden, fällt oft nicht auf.
Lookismus und behinderte Körper
Mit solchen Aussagen werden behinderte Körper jedoch abgewertet, weil sie nicht als „normschön“ gelten. Es ist jedoch keine Leistung, eine sichtbare oder eben unsichtbare Behinderung zu haben. Ebenso wenig wäre es ein Problem, wenn ich eine sichtbare Behinderung hätte. Ich wäre immer noch dieselbe Person mit denselben Fähigkeiten vor der Kamera – wertvoll und wunderschön.
Wir erwarten jedoch eine sichtbare Behinderung. Wie oft habe ich das Gefühl, dass Menschen meine Bilder anschauen und genau nach einem Merkmal schauen, das auf meine Behinderung schließen lässt. Einmal die Augen zusammengekniffen, zur Seite geschaut und Zack: der Beweis. „Die Außenbeleuchtung funktioniert wohl nicht“.
Ein weiteres Problem ist, dass wir „normal“ oder „gesund“ als das Gegenteil von „behindert“ anerkennen. Das ist nicht verwunderlich, denn Behinderungen gelten in unserer ableistisch sozialisierten Gesellschaft als defizitär. Dabei ist das Gegenteil von behindert nicht-behindert. Es zeigt jedoch, wie stark auch das medizinische Modell von Behinderungen in unseren Köpfen verankert ist. In dem der nicht-behinderte, gesunde Körper als erstrebenswert angesehen wird und im Gegensatz dazu die Person mit „ihren Mängeln“ verglichen wird.
Wenn wir behinderte Körper nicht abbilden, dann haben sie keine Chance, als ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft gesehen zu werden. Als Teil, der dazu gehört und gesehen wird. Behinderte Körper sind schön, vielseitig und wertvoll. Egal, ob Mode, Hobby oder Medien. Behinderte Körper existieren und gehören nicht versteckt.
Doch was bedeutet dies für Autist*innen, wenn diese Schwierigkeiten haben Mimik oder Gestik in den Augen der Gesellschaft angemessen einzusetzen? Wenn ich beispielsweise nicht mit einem Lächeln und einer als attraktiv gelesenen Mimik, Stimme oder Gestik auf Menschen zugehen kann. Wenn meine Hyperaktivität als ADHSlerin meine Stimme zu laut erscheinen lässt und mich zu schnell reden lässt.
Wie wir Äußerlichkeiten bewerten fördert Stereotype
Lookismus ist gefährlicher als man annimmt und fördert Stereotypen. Das lackierte Fingernägel bei männlich gelesenen Personen nichts über die Sexualität verrät und Menschen die dick sind, nichts über deren Motivation verrät, sollte in der Theorie klar sein. Dennoch werden Menschen darauf reduziert und mit diesen Eigenschaften verbunden. Und das Ganze passiert innerhalb weniger Sekunden. Wir sehen eine Person und boom beurteilen wir sie. Teils unbewusst, weswegen es so wichtig ist uns dies bewusst zu machen. Dennoch liegt es in der Natur des Menschen schnell zu entscheiden, ob „Freund oder Feind“.

Diese Beurteilungen finden wir in allen Bereichen wieder. Auch in Schulen und im Arbeitsleben ist schon lange bekannt, dass Menschen, die als attraktiv gelten, bessere Chancen haben. Und auch Attraktivität sagt nichts über die Kompetenz der Person aus (Pretty Privilege).
Attraktivität ist subjektiv und lässt sich nicht nachweisen. Denn einen Job nicht zu bekommen oder eine schlechte Note zu erhalten bedeutet nicht, dass man unattraktiv ist. Als „attraktiv“ gelten beispielsweise Gesichter ohne großartige Auffälligkeiten. Keine große Nase, keine Unreinheiten oder Asymmetrie des Gesichts. Bei Frauen sind es oft die Stupsnase und die großen Augen. Bei männlich gelesenen Personen das markante Kinn und die Körpergröße (Vermutungen). Was auch letztlich zu der anonymen Bewerbung in den USA führte.
Natürlich ist auch der Lookismus im Wandel. Schönheitsideale verändern sich laufend: Optimierung im Fitnessstudio, Tätowierungen, Piercings, geglättete Haut. Dabei kommt es doch oftmals noch auf die Berufsgruppe an, ob Tätowierungen oder ähnliche Merkmale geduldet werden. Unabhängig von sexistischen oder gewaltverherrlichenden Tattoos.
Meine Erfahrungen mit Lookismus
Tätowierte und gepiercte Menschen, die dies vollständig sind, wird oftmals vorgeworfen, dies zu tun, um aufzufallen. Über diesen Satz habe ich mir oft Gedanken gemacht. Mich würde es nicht wundern, wenn tief in mir ein Teil gegen das Vergessen und ignoriert werden, als behinderte Person rebellieren würde. Übereinstimmen kann ich mit solchen Aussagen jedoch trotzdem nicht. Als eine Person, die lieber für sich ist und einen Tattootermin als Wellness bezeichnet, liegt der Wunsch nach Aufmerksamkeit fern.
In den sozialen Medien äußerte sich bereits eine Person dazu, dass ich meine Aufklärungsarbeit vermehrt mit meinen Modelbildern unterstreichen sollte, um mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. Dabei sollten meine Worte gehört werden. Ich wollte eine Representation betreiben und keine gestellten Bilder vor der Kamera nutzen. Doch letztlich sind es Bilder von mir, die Aufmerksamkeit erreichen, die Menschen dazu bewegen, meine Inhalte zu lesen und sich mit Aussagen auseinanderzusetzen. Dennoch finde ich es wichtig Behinderung in der Vielältigkeit abzubilden und auch in den unterschiedlichen Altersgruppen.
Dabei habe ich schon früh Bekanntschaft mit Lookismus gemacht. Mein damals noch unauffälliger Kleidungsstil als 10-jährige war der Startschuss für meine Mobbingkarriere. Das Tragen eines Hutes fünf Jahre später, förderte dies nochmals. Und das verletzt und tut weh. Worte, die Abwerten ertragen zu müssen und zu wissen, egal was man tut, man kann dem nicht entkommen. Schwierig wurde es für mich erst dann, als ich mit gewissen Idealen konfrontiert wurde. Wie mit 11/12 Jahren, dass Frauen sich die Beine rasieren „müssen“. Körperbehaarung kennt dabei kein Geschlecht und ist natürlich. Es war keine Entscheidung, die ich damals für mich getroffen habe, sondern nur um den Sprüchen aus dem Weg zu gehen und um nicht abgewertet zu werden.
Es zeigte mir jedoch auch, die Individualität und den Wandel von Lookismus. Das wir der Subjektivität von Bewertungen ausgesetzt sind. Es zeigte mir, dass ich letztlich nicht mich anpassen möchte und in ein Bild zwängen möchte, das nicht zu mir passt, sondern mich ausleben will, so wie ich bin. Dies erforderte Mut mich in einer Tagesklinik wiederzufinden und mich zu priorisieren und nicht das, was andere von mir wollen oder denken.
Wir können Toleranz lernen
Die scheinbare Makellosigkeit, die wir in sozialen Medien präsentiert bekommen, rührt meist von Filtern, dem richtigen Licht und Bearbeitungen her. Die Arbeit, die hinter diesem Bild steckt, soll hinter, „so sehe ich nach dem Aufstehen aus“ versteckt werden. Dies setzt User*innen unter Druck, einem Ideal hinterherzujagen, das nicht erreicht werden kann.
Es wäre doch so viel einfacher, wenn wir aktiv Toleranz üben würden und sich jeder wohlfühlen dürfte. Für mich ist genau das Body Positivity. Ein Kampf gegen die Diskriminierung von Äußerlichkeiten. Ein Kampf gegen Schönheitsideale und ein Kampf für mehr Authentizität.
Quellen
https://karrierebibel.de/lookismus/
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit/lookismus-diskriminierung-aufgrund-von-aussehen/
https://www.br.de/extra/respekt/pretty-privilege-lookism-aussehen-diskriminierung-100.html
https://www.papermag.com/tattoo-employment-research
Studie zu Größe/BMI und Verdienst
PLOS: Body shape matters
Bewerbungen ohne Fotos / Standardisierte Fragebögen / „blind interviews“
fluter: Ugly Truth
Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Fair in den Job! (pdf S. 30)
PLOS: Body shape matters
Intersektionalität
Verleihe meiner Arbeit Flügel
Was genau kann deine Hilfe bewirken?
Ich bin Aktivistin für Inklusion. Aufklärungsarbeit findet oft kostenlos statt. Dies muss aber nicht sein. Denn Aufklärung bedeutet hier, recherchieren und schreiben, Videos produzieren, weiterbilden, reisen, Interviews führen und vieles mehr. Schaut euch gerne meine aufklärenden und empowernden Beiträge an, die zum Reflektieren einladen.
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