Erfahrungsbericht: Blind auf einem Fotowalk

Nadine steht in einem Parkhaus. Sie trägt eine braune Leggings, braune Stiefel und eine braune Corsage mit orangenen Blumen am oberen Ende. Sie hat grüne Haare und trägt einen Kopfschmuck mit orangenen Blumen und Federn. Sie steht seitlich, hat ein Bein vorgestellt und eine Hand auf dem Oberschenkel liegen. Die andere Hand liegt auf der gegenüberliegenden Schulter. Ihr Arm ist tätowiert.

Ein Fotowalk ist für mich blind immer eine besondere Herausforderung. Denn neben dem Fakt, dass ich vorab nie weiß welche Personen da sein werden und ob ich bereits die ein oder andere Person kenne, birgt es für mich wenig Übersichtlichkeit.

Inhaltsverzeichnis

Immer wieder bleibt nur wenig Zeit sich kennenzulernen und sich einzugrooven. Das führt auch dazu, dass ich weniger Zeit habe meine Bedarfe zu schildern. Ich muss also in kurzer Zeit sagen was ich brauche und wie wir ein Shooting umsetzen können. Versteht die Person die Bedeutung des Stockes und kann schnell verinnerlichen, dass es keinen Sinn ergibt, mir eine Pose visuell darzustellen, sondern viel  über Beschreibungen laufen muss?

Hinzukommen die selbstverständlichen Fragen wie: Passen der Stil und die Ideen zusammen? Harmoniert man zusammen? Versteht man sich und kann auf einer Wellenlänge zusammenarbeiten?

Als introvertierter Mensch mit Angststörungen ist gerade das Sein in Mitten von vielen fremden Menschen eine Herausforderung. Das nicht Beeinflussen können und Wissen was mich erwartet. Ein ständiger Wechsel von Fotograf*innen und Modellen lässt keine Raum für Routinen. Vor allem nichts, worauf ich mich einstellen kann.

Blind auf einem Fotowalk bedeutet ebenfalls, dass viel Energie für die Orientierung, wo sich der Fotograf oder die Fotografin befindet, oder auch für das Wiederfinden der Gruppe benötigt wird.

Was ist überhaupt ein Fotowalk?

Ein Fotowalk ist ein Zusammentreffen von Fotograf*innen und Modellen, die an einem besprochenen Ort auf TFP-Basis erstellt werden. Dies kann zu einem Thema sein wie beispielsweise Cosplay oder Casual, muss aber nicht. Die Bilder werden oft dem Portfolio beigefügt. MeinPortfolio

Es kommen also verschiedene Menschen mit verschiedenen Charakteren und Ideen und wenige Berührungspunkten zu behinderten Menschen oder Modellen.

Und in Mitten eine blinde Person in ihrem kreativen Hobby. Was bei einigen schon auf Widersprüche und Neugier stößt.

Modeln ist für mich eine große Leidenschaft und mehr als nur ein Hobby. Es füllt meine Freizeit mit Kreativität und Selbstverwirklichung. Ich kann mich in verschiedenen Bereichen ausleben. Doch während ich diese Zeilen geschrieben habe, kam ich gerade von einem Fotowalk. Ich habe mein Cosplay abgelegt, mich in meine Schlafsachen geschmissen und den Abend mit Wärmflasche und einer Kanne Tee ausklingen lassen. Meine Füße waren immer noch nicht ganz aufgetaut und dennoch konnte ich nicht anders als meine Gedanken in Worte fassen.

Nadine wird von oben fotografiert. Sie hat ihre Hände am Gesicht und sitzt auf einer Bank. Im Hintergrund ist grün zu sehen. Sie trägt eine braune Leggings, braune Stiefel und eine braune Corsage mit orangenen Blumen am oberen Ende. Sie hat grüne Haare und trägt einen Kopfschmuck mit orangenen Blumen und Federn.
Blind auf einem Fotowalk / Instagram rks.fotografie

Blind auf Fotowalk: Ableismus als Begleiter auf Fotowalks

Denn so sehr ich das shooten liebe und dieses Mal Menschen wiedergetroffen habe, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe, schafft es kaum ein Tag ohne Ableismus in mein Leben. Ableismus legt sie oft wie ein unheilverheißender Schleier über meinen Alltag. Ich war jedoch so auf mein Outfit und die Hoffnung auf Fotos, konzentriert, dass ich an die Möglichkeit von Ableismus nicht dachte. Ich war in meinem kreativen Element und wie in einer anderen Welt. In der nichts existierte außer Körpergefühl und Posingideen.

Während mich Menschen nach meinem Visus fragten, die nicht mal „Hallo“ sagen oder sich vorgestellt haben, kamen auch weitere standardmäßige Aussagen. Intime Fragen, die mir „nur aus Neugier“ gestellt wurden. Aber auch Inspiration Porn fehlt an solchen Tagen selten. Wie „faszinierend es sei“, wie ich klarkomme oder wie „beeindruckend“ ich „mein Leben meistere“, stoßen mir immer wieder sauer auf. Ich meistere nicht mein Leben, sondern lebe so individuell wie alle anderen Menschen ebenfalls. Es tut weh, wenn sich nicht-behinderte Menschen mit mir vergleichen. Mich zu einem Objekt machen und nur meine Behinderung als ein Defizit sehen, statt eine Eigenschaft.

Ich hatte an diesem Tag nicht für jede Situation die Energie etwas zu sagen. Es kostet viel Energie, immer wieder etwas zu sagen. Ich möchte meine Freizeit genießen. Dennoch schleicht sich in meiner Freiezeit immer wieder die (kostenlose) AufklärungsARBEIT.

Blind auf Fotowalk: Wenn die eigene Behinderung abgesprochen wird

Eine Situation zu Anfang des Walks schwirrte mir den ganzen Abend noch im Kopf herum. Auch am nächsten Tag ließ mich die Situation nicht los. Sie machte mich wütend und verletzte mich. Auch, wenn diese Situation keine neue für mich war und mir regelmäßig passiert.

Nachdem ich mit einem Fotografen Bilder gemacht hatte und er mit dieser auf der Kamera zeigen wollte, erwähnte ich , dass ich blind sei und die Fotos nicht erkennen könne. Ich erwähnte es 1x … 2x …. 3x. Auch auf Nachfrage versuchte ich es nochmals zu erklären. Dann traf es mich völlig unerwartet: „Du bist doch nicht blind“ sprach mir die Person meine Behinderung ab und hielt mir die Hand direkt vors Gesicht. Ich war wütend und sagte, dass es nicht okay sei, mir die Hand vors Gesicht zu halten. Ich empfand die Situation als übergriffig. Die Person drehte sich um und ging. Wütend rief ich noch hinterher, dass es nicht okay sei, einer Person die Behinderung abzusprechen. Ich merkte, wie ich verletzt war. Niemand hatte es mitbekommen. Niemand stand mir bei. Es war nicht das erste Mal, aber es ist immer ein Stich.

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